JOHANNES - PLATONISCHE LIEBE -  ein Geschenk

© Gerlinde Pauschenwein 

 

 „Der Zufall ist das Pseudonym, das der liebe Gott wählt, wenn er inkognito bleiben will.“

                                                                Albert Schweitzer

 

Nach landläufiger Meinung kann es zwischen Mann und Frau keine platonische Liebe geben, da die erotische Anziehungskraft zur sexuellen Erfüllung drängt. Dieser Meinung war auch ich, bis mir das Schicksal eine der wertvollsten Begegnungen meines Lebens zuspielte. Im Sinne Artur Schopenhauers: "Das Schicksal mischt die Karten, wir spielen."

 

Der Wohlklang jener Stimme holte mich aus der Trostlosigkeit der letzten Wochen, als ich 1969 die Sendung zum ersten Mal hörte. Mit dem Ende meiner unerfüllten Jugendliebe war ich mit 19 Jahren erstmals hart am Boden der Realität aufgeschlagen. Untröstlich verbrachte ich die Wochenenden in meinem Zimmer.  Das Timbre dieser Stimme, dazu Musik, halfen mir über meinen ersten Liebeskummer hinweg. Woche für Woche hörte ich die Sendung, der Schmerz verblasste mehr und mehr. Ich verlor mich in Träumen, wie interessant es sein müsste, dem Mann mit der sonoren Stimme zu begegnen. Mir war bewusst, dass der Traum nie in Erfüllung gehen würde. Ein anderer Moderator kam, mein Interesse an der Sendung schwand. In den folgenden Jahren war ich mit allen Sinnen im Fluss des Lebens eingetaucht und dachte nicht mehr an den Mann mit der erotisierenden Stimme.

Viele Jahre später wieder in Wien lebend, beruflich an einer Höheren Schule lehrend, wurde ich eingeladen, in einer Galerie am Spittelberg einige meiner Bilder und andere Exponate zu präsentieren. An jenem Abend kam es zu einer unerwarteten Begegnung.

Der Galerist Karli P. bahnte sich einen Weg durch das Gewühl von Menschen zu mir in die linke hintere Ecke, wo ich mit Freunden ein Gespräch führte. An Karlis Seite drängte sich ein gutaussehender großer schlanker Mann, Anfang fünfzig, in meine Richtung. Karli machte uns formlos miteinander bekannt, sagte mir zugewandt: „Das ist Johannes.“. Dann drehte er sich seinem Freund zu und sagte: „Das ist Anna, die Künstlerin, die du kennenlernen willst“.

Ich reichte dem Unbekannten die Hand. Mein Gegenüber lächelte mich überaus charmant an – dann hörte ich die Stimme! Plötzlich erinnerte ich mich an jenen Traum, den ich so viele Jahre vergessen hatte. Es war die Stimme. Johannes, der Moderator jener Sendung von 1969 stand vor mir. Seine Aura hatte eine ungewöhnliche Strahlkraft, wie ich dies bisher nur bei Paul kennengelernt hatte. Verwirrt nahm ich das Zittern meiner Hände wahr.

Wir führten ein langes Gespräch über Kunst, das Leben am Theater und verlorene Träume. Mehrmals wurden wir von Bildkäufern unterbrochen, die mich kennenlernen wollten. Johannes wich nicht von meiner Seite und versuchte immer wieder das Gespräch fortzusetzen.

Nach diesem unvergesslichen Abend verloren wir uns aus den Augen, obwohl er mich gebeten hatte, ihn anzurufen. Wenige Wochen davor hatte ich einen verwitweten etwa gleichaltrigen Mann mit fünfjährigem Sohn kennengelernt, der Bub hing an mir. Mein Kinderwunsch war seit der Liebe zu Paul und seinen plötzlichen Tod noch größer geworden. Ich sah diesen süßen Buben, der all meine Liebe und Zuwendung dankbar annahm, als Geschenk des Schicksals und entschied mich seinetwegen, eine Beziehung mit seinem Vater einzugehen. 

Die Worte von Johannes, das Lächeln seiner Augen konnte ich dennoch wochenlang nicht vergessen.

Der Zufall führte uns fünf Jahre später wieder zusammen. Ich wurde vom Bürgermeister einer Nachbargemeinde zu einer kulturellen Veranstaltung, einer Lesung, geladen, der Bürgermeister setzte mich zwischen ihn und den Ehrengast. 

Es war Johannes!

Freudig überrascht sah er mich an: "ANNA! Unser Gespräch in der kleinen Galerie habe ich nie vergessen. Du erinnerst Dich? Wie oft habe ich gehofft, dich dort wieder zu sehen. Ab nun darfst du mir nicht mehr verloren gehen! Ich will dich nie mehr verlieren. Oft habe ich nach Dir gefragt, Du bliebst verschwunden“.

Mein strahlender Blick sagte alles!

 

Es stimmte, ich bin damals keinen weiteren Einladungen Karli P.s und seiner Frau Maria gefolgt, denn ich hatte den Lehrberuf aufgegeben und lebte nun mit Ehemann, seinem 7-jährigen Sohn und unserer gemeinsamen Tochter am Land. Mein größter Lebenswunsch nach einem eigenen Kind hatte sich ein Jahr zuvor erfüllt. Die Kinder waren mein großes Glück.

 

 Durch die Freude von Johannes über unser unerwartetes Zusammentreffen waren all die Träume und Hoffnungen, die mich damals nach der ersten Begegnung wochenlang in einen Zwiespalt gebracht hatten, wieder aufgeflammt. Es war ein kurzes Gespräch, ich erzählte ihm vom Landleben und dass ich im Ort einen Kulturverein leite, mit fallweisen Besuchen von Theateraufführungen in der 60 km entfernten Großstadt Wien. Johannes bot mir sofort an, eine Lesung in meinem Ort zu machen, er würde Roda-Roda, Altenberg und Kisch vortragen.  Dies könnte zu regelmäßigen Treffen führen, meinte er mit seinem umwerfenden Lächeln. Ich versprach, ihn anzurufen. Leider musste ich früh diese Veranstaltung verlassen, mein Mann duldete in seiner pathologischen Eifersucht nicht, dass ich bis spät nachts unterwegs war.

Unsere Ehe hatte sich sehr bald als Irrtum herausgestellt! Der Kinder wegen wollte ich bis zur Matura meiner Tochter bleiben.

 

 Johannes verabschiedete sich mit Küsschen. Die erstaunten Gesichter einiger Damen werde ich nie vergessen. Eine Dame, deren Mann ebenfalls Arzt und mit meinem Mann befreundet war, flüsterte mir ins Ohr, wie kompromittierend sich dieser Schauspieler mir gegenüber verhalten habe. Eine Frechheit sei dies, mich auf die Wange zu küssen!

Ich lächelte nur und schwebte nach Hause, mein Gefühl schlug Purzelbäume. 

 

 Nach dieser Lesung und dem schicksalhaften zweiten Zusammentreffen ließ Johannes nicht locker. Er kam mit dem Bus in meine Ortschaft, um den Saal anzusehen, wo er unbedingt eine Lesung machen wollte.  Als er den Saal im Barocken Pfarrhof sah, disponierte er um und las zu Weihnachten die Geschichte vom VIERTEN KÖNIG. Die Besucher waren zu Tränen gerührt und bedankten sich herzlich für diesen stimmungsvollen Nachmittag.

 

Anfangs trafen wir einander höchstens im zweimonatigen Intervall, mit den Jahren wurden die Treffen häufiger. Mindestens zweimal monatlich entfloh ich dem Ehealltag an den ordinationsfreien Donnerstagen. Ich brachte meine Tochter in die Volksschule im Ort und fuhr sofort nach Wien weiter. Der pubertierende Sohn hatte im Gymnasium Nachmittagsunterricht, meine Tochter wurde fallweise für zwei Stunden am Nachmittag von unserer Haushälterin betreut und durfte eine Freundin einladen. Ab der 3. Klasse hatte sie Nachmittagsunterricht, Turnen und Schwimmen standen am Stundenplan. 

Bei ausgedehnten Spaziergängen durch den Volksgarten wollte mich Johannes in die Lehre Rudolf Steiners einführen. Ich las Bücher von R. Steiner und stellte fest, diese Denkweise konnte ich nicht in mein Leben integrieren, es war nicht meine Welt. Johannes fand andere Themen, über die wir diskutierten.

Fallweise schenkte er mir Theaterkarten für Aufführungen, in denen er mitwirkte, danach tranken wir im Landtmann eine Tasse Tee, bevor ich zu meiner Familie zurückfuhr. Lange Abende, oder gar eine Nacht in meiner Wohnung in Wien zu verbringen, erlaubte mein Mann nicht! 

Erotische Spannung lag bei jedem Treffen in der Luft. Neun Jahre half mir Johannes mit seiner Liebe, diese lieblos gewordene Ehe durchzuhalten, er gab mir Halt, tröstete mich, nahm mich beschützend, mit unterdrückter Leidenschaft in die Arme.

Bis zu seinem Krebstod verband uns eine tiefe, unausgesprochene Liebe, wir konnten einander vertrauen, alles sagen, fanden neue Wege zum Ich.

Johannes bestärkte mich, mein künstlerisch- kreatives Potential zu nutzen, es nicht verschütten zu lassen. Er drängte mich zu meinem ersten Lyrikband. 

 

Highlights waren für mich jene Nachmittage, an denen er für mich Gedichte quer durch die Literaturgeschichte vortrug. Gerne las er Novellen von Schnitzler, Zweig oder Märchen für Erwachsene. Mozarts Musik untermalte seinen grandiosen Vortrag. In diesen Stunden tauchte meine Seele in eine andere Welt ein.

Eines Tages fragte Johannes unvermittelt, ob ich Gedichte schreibe, er wolle diese lesen. Ich zögerte, fürchtete, mich damit zu blamieren.

„Diese Gedichte sollten in der Welt sein“, war sein wohlwollender Kommentar, als ich ihm meine Mappe mit den handgeschriebenen Gedichten mitbrachte.

Mein Mann hatte immer gespöttelt, wenn ich Gedichte schrieb, dies sei Zeitverschwendung. Ich schwieg und schrieb heimlich in der Nacht, wenn alle schliefen. Nach einigen Bildverkäufen konnte ich mir meinen ersten eigenen kleinen Laptop kaufen. Welche Errungenschaft und Freiheit! Internet und Mails gab es noch nicht. Nun tippte ich meine Gedichte heimlich in den mit Passwort verschlüsselten Laptop. Einen Lyrikband zu veröffentlichen, würde einen Ehestreit heraufbeschwören, dessen war ich mir bewusst. Fallweise fuhr ich ins Rampenlichttheater zu Nachmittags-Lesungen, nachdem ich Prof. Jonas-Lichtenwallner kennengelernt hatte. Johannes unterstützte diese Aktion und gab mir Sprechunterricht, lehrte mich die richtige Atemtechnik und zeigte mir Übungen zur Stimmentfaltung. Meinem Mann erzählte ich, ich würde Freundinnen treffen.

Johannes, der weise Mann mit geschulter Stimme und geschliffener Sprache, ermutigte mich, die Gedichte in einem Sammelband herauszubringen. Er suchte all jene aus, die ihm für einen Lyrikband geeignet schienen. Auch wollte er mich einem Verleger vorstellen. Aus familiären Gründen lehnte ich weiterhin ab, worüber Johannes sichtlich enttäuscht war.

Jahre später erkrankte Johannes an unheilbarem aggressivem Krebs. Überstürzt gab ich im Eigenverlag dann doch den Gedichtband „Lebensspuren“ heraus. Einige Gedichte hatte ich für Johannes, über unsere Freundschaft, geschrieben. Bei einer Vernissage in einer romantisch gelegenen Schlossmühle – mein Mann war in Alaska auf Reisen – präsentierte ich gleichzeitig mein erstes Buch. Das positive Echo der Vernissage-Besucher hatte ich nicht erwartet, meine Freude war groß. Ein Jugendtraum war in Erfüllung gegangen.

Johannes lag zu diesem Zeitpunkt nach einer schweren Operation im Krankenhaus. Ich schenkte ihm das Büchlein bei einem meiner Besuche. Die für ihn bestimmten Gedichte berührten ihn tief.

Bis zu seinem Tod besuchte ich ihn einmal wöchentlich. In den letzten Wochen gingen wir bei unseren Gesprächen auf Reise, wie er es nannte. Es war eine innere Reise zurück zu seinen Wurzeln, in seine Kindheit. Mehr denn je sprach er von seiner Mutter. Gemeinsam versuchten wir zu ergründen, wo in seinem Leben die Weichen für seine schwere Erkrankung gestellt worden waren.

Johannes war bis zuletzt geistig jung geblieben, auch wenn seine schwere Krankheit ihn physisch altern ließ. In einem Buch, dessen Titel ich leider vergessen habe, zeigte er mir den Satz: Der kategorische Imperativ Kants hat eine kanzerogene Wirkung auf die Psyche des Menschen.

Wir diskutierten darüber, ob es je einem Menschen möglich sei, so zu leben, dass seine Lebenshaltung Grundlage für einen moralischen Kodex sein könne. Er meinte, er habe zu spät erkannt, wie schwer so ein Leben zu verwirklichen sei.

Einen Monat später, kurz vor Weihnachten begann Johannes vom Tod zu sprechen. Bei diesem Gespräch war mir klar, dass er sich auf sein Sterben vorbereitete. Wieder ging er zurück in seine Kindheit, seine Jugend. In aller Ruhe hat er über den Tod gesprochen, über das Sterben, über Sterbebegleitung und wie wichtig es sei, von einem Menschen begleitet zu werden, der loslassen kann. Jemand, der an seinem Bett oder Grab weine, lasse ihm nicht die nötige Ruhe zum Hinübergleiten.

Zum ersten Mal in den vielen Jahren hatten wir in seinem Wohnzimmer Platz getauscht. Ich saß auf dem Sofa, Johannes im bequemen Schaukelstuhl mit Blick auf die uralten Bäume des Innenhofes. Das Tageslicht zeichnete gnadenlos die tiefen Falten in seinem Gesicht nach. Der Vollbart konnte seinen Verfall nicht kaschieren, der Glanz in seinen Augen war erloschen, sein magerer Körper steckte in seinen viel zu groß gewordenen Kleidern. Ich war traurig, ihn so zu sehen, mir war klar, einen todgeweihten geliebten Freund vor mir zu haben. Immer wieder, wenn ich aufstehen und gehen wollte, hielt er mich zurück, ließ meine Hand nicht los, obwohl ich merkte, wie schnell ihn das Gespräch ermüdete. Als ich mich dann doch von ihm verabschieden musste, schaffte er es nur mit großer Mühe, den langen Gang vom Wohnzimmer zur Eingangstüre zu gehen. Minutenlang hielten wir einander umklammert, es fehlten die Worte, doch jeder fühlte die Verzweiflung und Innigkeit in dieser letzten Umarmung. Ich war geschockt, als ich seine Zerbrechlichkeit spürte, nur mehr Rippen ohne Muskeln unter seinem schlotternden Pullover. Er lächelte mich müde an, dann sagte er:

„Anna, du weißt, eine erotische Liebesbeziehung zwischen uns wäre der Himmel auf Erden gewesen. Ich wollte dich nie in Gewissenskonflikte stürzen. Unsere Freundschaft war mir wichtiger als eine kurze leidenschaftliche Affäre. Ich weiß, du hättest deinen Mann nie verlassen. Deine Tochter ist ein immens starkes Bindeglied, aber ich fühle, Du wirst sie früher und schmerzhafter loslassen müssen, als dies bei anderen Kindern der Fall ist.

Dann bat er noch: Bitte ruf mich täglich an, vielleicht geht es mir nach Weihnachten besser und du kannst wieder regelmäßig kommen.“

Weinend verließ ich ihn, ich wollte nach diesen Stunden nicht zurück zu meinem Mann. Ziellos irrte ich durch die belebte Mariahilfer-Straße. Zuletzt kaufte ich Spiele für die Kinder, obwohl alle Weihnachtsgeschenke längst besorgt waren. Diese Einkäufe lenkten mich ab, die Traurigkeit verlor sich für eine Stunde. Ich ließ mich im Strom zwischen hektischen Menschen treiben. Erst danach war ich bereit, nach Hause zu fahren.

Meinem Mann erklärte ich nicht, warum ich so lange weg war, sondern zog mich sofort mit meiner Tochter in ihr Zimmer zum Spielen zurück. Sie war kurz vor mir vom Nachmittagsturnen zurückgekommen.

 

Wie viel Ballast schleppen wir aus unserer Schulzeit mit, wir lernen so vieles, was wir nie im Leben brauchen. Die wichtigen Dinge, das richtige Verhalten bei Krankheit und Tod, das lehrt uns keine Schule, dachte ich verzweifelt. In Momenten des endgültigen Abschiedes, des Sterbens sind wir alle auf uns zurückgeworfen, müssen allein diese Phasen durchleiden, ohne daran zu zerbrechen.

Zeit meines Lebens werde ich bereuen, aus Rücksicht auf Ehe und Kinder, auf dieses Glück verzichtet zu haben.

Johannes hat unauslöschliche Spuren des Glücks in meiner Seele hinterlassen.

 

Ein Jahr nachdem Johannes verstorben war, reichte ich die Scheidung ein. Ich verließ den Mann, mit dem mich nur mehr Verantwortungsgefühl den Kindern gegenüber verband. Ich hatte meinen Seelenfreund verloren, der mir Stütze war und über Jahre mentalen Halt gegeben hatte.

Die Gespräche, seine liebevolle Wertschätzung fehlten mir unsagbar. Er hatte mir den Weg zurück zu mir selbst gezeigt. Dank Johannes konnte ich wieder an meinen eigenen Wert als kreative Frau glauben. Jahrelang hatte mir mein Mann vermittelt: „Ohne mich bist du nichts, du wirst scheitern. Wo willst du in deinem Alter einen Job finden? Von deiner Malerei kannst du nicht leben. Dieses Hobby akzeptiere ich erst, wenn du MICH davon erhalten könntest.“

 

Die Scheidung war für mich ein notwendiger, entscheidender Schritt, um meine Selbstachtung nicht zu verlieren. Lange Zeit kämpfte mein Mutter-Pflichtgefühl gegen mein Selbstwertgefühl. Natürlich konnte meine Tochter dies nicht verstehen, sie kennt auch keine Details aus meiner Ehe mit ihrem Vater. Und das ist gut so, sie soll ihr positives Vaterbild nicht verlieren. 

 

Ich habe diesen Schritt der Trennung nie bereut, auch wenn er durch einen siebenjährigen Rosenkrieg zum dramatischsten Wendepunkt meines Lebens wurde.

 

Dieses Kapitel meines Lebens bleibt ausgespart, denn:

Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.           

Ludwig Wittgenstein

 

 Wien, 2002

 

 

 

FREUNDSCHAFT - MANN - FRAU

Platonische Liebe

 

Es gibt sie

diese Form der Begegnung

zwischen Mann und Frau -

OHNE ZÄRTLICHKEITEN

OHNE LEIDENSCHAFT

und dennoch:

BERÜHREN MIT WORTEN

VERTRAUEN DEM LÄCHELN

ÖFFNEN DER SEELEN

IN VIELEN LANGEN GESPRÄCHEN

ALLES DENKEN

ALLES SAGEN KÖNNEN

NICHTS VERBERGEN MÜSSEN

NEUE WEGE ZUM ICH FINDEN

UNAUSLÖSCHLICHE SPUREN

DES GLÜCKS

IN DER SEELE DES ANDEREN

HINTERLASSEN

 

Es gibt sie,

diese Form der Begegnung

zwischen Mann und Frau

Ohne Zärtlichkeiten

Ohne Leidenschaft

und dennoch:

 

EINE FORM VON LIEBE

 

--------------------

 

ALS ICH DIR GESTERN GEGENÜBER SASS…

Als ich Dir gestern

im Landtmann gegenüber saß

Und du mir wieder

dein Lächeln schenktest,

das mir seit Jahren

nun schon so vertraut,

da fühlte ich mich

unsagbar glücklich.

Der Himmel war in mir.

 

Als ich dir gestern gegenübersaß

und sich in deinem Blick

die Tiefe deiner Seele spiegelte,

begann ganz langsam

dein Hochgefühl

mich zu umfassen.

 

Als ich dir gestern gegenübersaß

mit jenem Glücksgefühl im Herzen,

da spürten wir sie beide in uns,

jene tiefe, grenzenlose Liebe,

die unausgesprochen

uns verbindet.

 

Heute nun,

da ich dein Lächeln vermisse

und meine Sehnsucht

nach deinem Blick

meine Phantasie

auf Reisen schickt,

wird schmerzhaft mir

VERZICHT bewusst,

dass wir einander

nie gehören können.

 

Und doch: solange du mir

dein Lächeln schenkst

und tiefe Freundschaft

uns verbindet,

die länger dauert

als Begierde und Lust,

so lange werde ich

dem Schicksal danken

für dieses Glück

an Seelenharmonie

 

nach einem Burgtheaterbesuch 1994