ATOMKRAFT NEIN DANKE!

ATOMKRAFT NEIN DANKE!

© Gerlinde Pauschenwein 

 

 

Die lachende Sonne, das Logo der Anti-Atomkraftbewegung, klebte seit 1977 auf meinem Schulaktenkoffer. Unübersehbar war der 15 cm große gelbe Kreis mit roter Sonne das markante Bekenntnis gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf. Ich war die einzige Lehrerin an der Schule, die so offen ihre Meinung zur Schau trug. Hitzige Debatten hatte ich damit ausgelöst, nicht nur im Kolleginnenkreis. Mehrmals wurde ich deswegen belächelt und einmal sogar laut von einem älteren Mann beschimpft, als ich von der Schule nach Hause ging.

Die Bevölkerung des Landes war in zwei Lager gespalten, auf der einen Seite die  AtomkraftgegnerInnen, auf der anderen Seite die mächtigen Männer der regierenden Partei, die Wirtschaft, die Industrie, die Gewerkschaft.

Die Zeitungen überschlugen sich mit positiven Perspektiven durch Atomkraft, doch erstmals gab es auch nuklearkritische Artikel. Als bekannt wurde, dass in Österreich drei Kernkraftwerke gebaut werden sollten, begannen die Protestwanderungen. Die Schar der Befürworter wurde kleiner, der Widerstand wuchs in allen Bevölkerungsschichten.

Der Kanzler hatte erwartet, das Volk würde für eine friedliche Nutzung der Kernenergie voten, daher verknüpfte er sein Amt mit dem Ausgang der Volksabstimmung, die am 5. November 1978 stattfand.

 

Vom 6. bis 10. November sollte ich ein pädagogisches Seminar in Wien besuchen, daher fuhr ich am 5.11. nach der Stimmabgabe mit einem Bus nach Wien. Gegen 18 Uhr kam ich am Westbahnhof an und ließ mich von einem Taxi zum Seminarhotel in den 13. Bezirk bringen. Im Fond des Wagens sitzend, hörte ich im Autoradio das Ergebnis der Volksabstimmung. Die große Hoffnung aller Atomkraftgegner hatte sich erfüllt. Die Österreicher hatten mit knapper Mehrheit gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf gevotet.

 

“Großartig! Wir haben gewonnen. Jetzt muss Kreisky zurücktreten, der Schuss ist nach hinten losgegangen!” Ich konnte meine Freude nicht unterdrücken und sah erwartungsvoll zum Taxifahrer, begeisterte Zustimmung erwartend. Plötzlich vollzog er eine Notbremsung. Ich kippte nach vorne, konnte mich im letzten Moment mit den Händen am Vordersitz abstützen und sah den Fahrer verblüfft an.

“Steigens sofort aus, mein Konzler beleidign sie nit! Sie san jo vertrottelt, wie kennens gegen Zwentendorf stimmen!“, schrie er mich an. „Steigens aus, zoahln brauchens nix.”

Er stieg aus, stellte meinen Koffer wütend auf den Gehsteig und brauste davon.

Hilflos stand ich in der Dunkelheit in einer Seitengasse, wusste weder wo ich war noch wo die nächste Telefonzelle stand. Niemand war zu sehen. Verzweifelt schleppte ich den schweren Koffer zu einer stark frequentierten Querstraße, wo erst nach geraumer Zeit ein Taxi vorbeikam.

Dies war ein denkwürdiger Tag, der mir vor Augen führte, wie leicht eine Gegenmeinung zum Wutausbruch – oder im schlimmsten Fall – auch zur Gewalt führen kann.

 

Zwentendorf ist nie in Betrieb gegangen, allein das zählt!