JOHANNES - PLATONISCHE LIEBE - ein Geschenk
© Gerlinde Pauschenwein
Nach landläufiger Meinung kann es zwischen Mann und Frau keine platonische Liebe geben, da die erotische Anziehungskraft zur sexuellen Erfüllung drängt. Dieser Meinung war auch ich, bis mir das Schicksal eine der wertvollsten Begegnungen meines Lebens zuspielte. (Im Sinne Artur Schopenhauers: "Das Schicksal mischt die Karten, wir spielen.")
Ich war 33, als ich bei einer Vernissage Johannes kennenlernte, dessen Charisma mich sofort in seinen Bann zog. Wir standen abseits in der kleinen Galerie und philosophierten über den Sinn des Lebens. Johannes, 21 Jahre älter, geschieden, wollte mich unbedingt wieder sehen. Ich spürte, dieser Mann könnte meine neue Lebensplanung auf den Kopf stellen. Eine schlaflose Nacht kämpfte Emotion vergeblich gegen Ratio. Ich schrieb an Johannes, dass ich wie geplant heiraten werde.
Er wünschte mir Glück.
Sechs Jahre später wurde ich zu einer kulturellen Veranstaltung geladen, der Bürgermeister setzte mich neben den Ehrengast.
Es war Johannes. Freudig überrascht sah er mich an: "ANNA! Unser Gespräch in der kleinen Galerie habe ich nie vergessen. Du erinnerst Dich? Wie oft habe ich gehofft, dich dort wieder zu sehen. Ab nun darfst du mir nicht mehr verloren gehen!"
Mein Gefühl von damals war wieder da, schlug Purzelbäume vor Freude. Mein strahlender Blick sagte alles! Ich musste früh diese Veranstaltung verlassen, mein Mann duldete in seiner pathologischen Eifersucht nicht, dass ich bis spät nachts unterwegs war. Unsere Ehe hatte sich sehr bald als Irrtum herausgestellt! Der Kinder wegen wollte ich bis zur Matura des jüngsten Kindes bleiben.
Johannes verabschiedete sich mit Küsschen. Die erstaunten Gesichter einiger Damen werde ich nie vergessen. Ich schwebte nach Hause. Ab diesem Zeitpunkt traf ich Johannes an jenen Nachmittagen, an denen mein Mann Fixtermine hatte, anfangs einmal monatlich. Gleich zu Beginn machte Johannes den Versuch, mich zu verführen. Ich wusste, eine Liebesstunde mit ihm und ich wäre ihm verfallen, die Scheidung wäre unausweichlich. Die Kinder waren noch schulpflichtig. Mein Mann hatte mir schon einmal gedroht, wenn ich ihn je verlasse, wird er mich ZERSTÖREN, finanziell und mir die Kinder wegnehmen, in seiner Position ein leichtes Spiel!
Johannes war geschockt, als ich ihm dies erzählte, liebevoll drückte er mich an sich. Nach kurzem Nachdenken sagte er, ihm sei es wichtig, Zeit mit mir verbringen zu können. Unsere Freundschaft sei zu kostbar, um sie wegen eines Liebesrausches aufs Spiel zu setzen.
Er spürt, der Kinder wegen, werde ich den Mann frühestens in 10 Jahren verlassen, zu spät für ihn, setzte er hinzu.
Erotische Spannung lag bei jedem Treffen in der Luft. Neun Jahre half mir Johannes mit seiner Liebe, diese Ehe durchzuhalten, er gab mir Halt, tröstete mich, nahm mich beschützend, mit unterdrückter Leidenschaft in die Arme.
Bis zu seinem Krebstod verband uns eine tiefe, unausgesprochene Liebe, wir konnten einander vertrauen, alles sagen, fanden neue Wege zum Ich.
Johannes bestärkte mich, mein künstlerisch- kreatives Potential zu nutzen, es nicht verschütten zu lassen. Er drängte mich zu meinem ersten Lyrikband.
Johannes hat unauslöschliche Spuren des Glücks in meiner Seele hinterlassen.
"Du weißt, unsere Liebe, hätten wir sie gelebt, wäre der Himmel auf Erden gewesen!" sagte er kurz vor seinem Tod.
FREUNDSCHAFT - MANN - FRAU
Platonische Liebe
Es gibt sie
diese Form der Begegnung
zwischen Mann und Frau -
OHNE ZÄRTLICHKEITEN
OHNE LEIDENSCHAFT
und dennoch:
BERÜHREN MIT WORTEN
VERTRAUEN DEM LÄCHELN
ÖFFNEN DER SEELEN
IN VIELEN LANGEN GESPRÄCHEN
ALLES DENKEN
ALLES SAGEN KÖNNEN
NICHTS VERBERGEN MÜSSEN
NEUE WEGE ZUM ICH FINDEN
UNAUSLÖSCHLICHE SPUREN
DES GLÜCKS
IN DER SEELE DES ANDEREN
HINTERLASSEN
Es gibt sie,
diese Form der Begegnung
zwischen Mann und Frau
Ohne Zärtlichkeiten
Ohne Leidenschaft
und dennoch:
EINE FORM VON LIEBE
--------------------
ALS ICH DIR GESTERN GEGENÜBER SASS…
Als ich Dir gestern
im Landtmann gegenüber saß
Und du mir wieder
dein Lächeln schenktest,
das mir seit Jahren
nun schon so vertraut,
da fühlte ich mich
unsagbar glücklich.
Der Himmel war in mir.
Als ich dir gestern gegenübersaß
und sich in deinem Blick
die Tiefe deiner Seele spiegelte,
begann ganz langsam
dein Hochgefühl
mich zu umfassen.
Als ich dir gestern gegenübersaß
mit jenem Glücksgefühl im Herzen,
da spürten wir sie beide in uns,
jene tiefe, grenzenlose Liebe,
die unausgesprochen
uns verbindet.
Heute nun,
da ich dein Lächeln vermisse
und meine Sehnsucht
nach deinem Blick
meine Phantasie
auf Reisen schickt,
wird schmerzhaft mir
VERZICHT bewusst,
dass wir einander
nie gehören können.
Und doch: solange du mir
dein Lächeln schenkst
und tiefe Freundschaft
uns verbindet,
die länger dauert
als Begierde und Lust,
solange werde ich
dem Schicksal danken
für dieses Glück
an Seelenharmonie