CHRIS -TRAUMMANN - Erster Kuss in Gmunden

© Gerlinde Pauschenwein 

 

„Liebe Diotima, so will ich dich nennen, bis wir einander näher kennengelernt haben…“ Chris ging auf alle meine Interessen ein, ein Gleichklang zwischen uns war in jeder seiner Zeilen zu spüren. Hölderlin las ich mit 20, trotz meiner 50 Jahre bekam ich Herzklopfen wie in jungen Jahren. Ein täglicher Gedankenaustausch begann, ich schrieb in der Nacht, Chris im Morgengrauen. Nach drei Wochen schlug er mir ein erstes Treffen vor. Wir hatten uns über Visionen und Hoffnungen für eine bessere Welt, über unsere Lebensphilosophie ausgetauscht. Familiennamen, Wohnort und Beruf kannten wir von einander nicht.

Ungewöhnlich war zweifellos die Offenheit, die wachsende Vertrautheit, die uns dazu verleitete, tiefste Gedanken preis zu geben. Zwar war ich beeindruckt von den lyrischen Mails, dennoch wagte ich kein Blind Date. Mein Zögern veranlasste ihn, mir Namen und Telefonnummer bekannt zu geben. Mit dem Hinweis, ich möge die Homepage seines Instituts öffnen, um sein Foto zu sehen, hat er mich endgültig überzeugt. Stundenlange Telefonate am späten Abend, tägliche Mails zwischendurch – seine Seele war mir nach wenigen Wochen näher, als die Seele jenes Mannes, mit dem ich 20 Jahre bis 1996 verheiratet war.

Dem ersten Treffen an einem Sommertag des neuen Jahrtausends fieberte ich mit wieder erwachter, jugendlich anmutender Sehnsucht entgegen. Nicht Wien, sondern Gmunden wurde unser Treffpunkt. Unvergesslich bleibt der erste Eindruck. Beschwingt, freudig lachend kam er mir mit offenen Armen entgegen. Er war genau jener Typ Mann, der mir gefiel, groß, intellektuell, sportlich, kurze graue Haare, extravagante Brille, modisch. Erotisierend hatte schon sein Intellekt während der letzten Wochen auf mich gewirkt.

Entscheidend war der erste tiefe Blick in unsere Augen, in unsere Seelen. In diesem Moment des Erkennens war uns klar, diese Begegnung ist schicksalhaft.

Die Seepromenade verlockte zu einem Spaziergang. Noch nie hatte Gmunden diesen Charme. Am Weg zurück zum Zentrum auf der stark frequentierten Traunbrücke nahm Chris mich in die Arme und sagte lächelnd: „Ich fühle mich wie mit achtzehn. Ist das nicht großartig, wir können die Zeit anhalten." Dann küsste er mich leidenschaftlich, ich verlor mich in diesem Kuss. Erst nach einigen Minuten löste ich mich aus der Umarmung. Vorbeigehende blickten irritiert, ein älterer Herr, vielleicht Mitte siebzig, lächelte verschmitzt und fragte: „Ist Ihnen bewusst, dass Sie auf der Traunbrücke mitten in Gmunden stehen? Ich kann Sie verstehen, ja ich beneide Sie sogar, dennoch!" Schmunzelnd ging er weiter.

Wir haben die Welt um uns vergessen.

"Darf ich dich nach Wien begleiten? Ich muss erst morgen mittags am Institut sein. Ich sehe die Türe zum Alter einen Spalt geöffnet, doch nun gemildert durch das Wissen, Dich gefunden zu haben und wieder zu LEBEN. Ich spüre ein warmes, sicheres Gefühl zwischen uns."

Mein Lächeln sagte JA.

Das Schicksal gab uns die Chance für diese neue Liebe.