IN DEN       BOBOLIGÄRTEN 

       in FLORENZ

IN DEN BOBOLIGÄRTEN von FLORENZ

© Gerlinde Pauschenwein 

 

Jedes Mal, wenn ich unter diesem mächtigen Baum sitze, lasse ich den Blick über die Stadt schweifen, bis er sich in der Ferne, an der jenseitigen Hügelkette, wo Fiesole schemenhaft erkennbar ist, verliert. Gegenwart und Vergangenheit zerfließen, werden eins. Ich verliere das Zeitgefühl, schließe die Augen und versinke in einer anderen Welt. Meine Gedanken führen mich zurück in das 16. Jhdt. Der ausgedehnte, freie Blick über die Stadt ist ungewöhnlich großzügig, wie alles hier in dieser Parkanlage. Die breiten Kieswege sind gesäumt von einer Vielzahl von Statuen, Brunnen und Grotten. Giorgio Vasari, Architekt und Hofmaler der Medici, war an der Planung beteiligt. Ich schlendere in Gedanken durch das Amphitheater, vorbei an der großen manieristischen Grotte im Hof, die den Palazzo Pitti vom Giardini Boboli trennt. Angelegt von Eleonora von Toledo, Ehefrau von Cosimo di Medici. Der in Stein gehauene Palazzo ist der gesellschaftliche Mittelpunkt, mit diesem beanspruchen die Medicis die Macht, sie dominieren diese Stadt. Hier befindet sich die Galleria Palatina, die Kunstsammlung der Medicis.

Den Hügel hinauf begrüßt mich der ägyptische Obelisk. Beim Neptunbrunnen lege ich eine kurze Rast ein. Im rechten Winkel zur Hauptachse setze ich den Weg fort, befinde mich plötzlich im 17. Jhdt. als man diese Parkanlage auf eine Größe von 4,5 Hektar erweiterte. Ich nehme den Weg bis zum Forte del Belvedere, kehre um und spaziere zum Porzellan Museum, für mich als Liebhaberin von edlem Tafelservice ein weiteres Highlight.

Der Park mit seinen uralten Bäumen ist mittlerweile ein Freilichtmuseum für hunderte Gartenskulpturen aus der Römerzeit sowie dem 16. und 17. Jhdt.

Meine Gedanken schweifen ab zu den berühmtesten Skulpturen im "Wallfahrtsort der Kunst", in die Medici Kapelle, in Michelangelos Neue Sakristei von 1521. Die beiden Figuren MORGENRÖTE (Aurora) und ABEND, TAG und NACHT beeindrucken wohl jeden.

Eine Zypressenallee führt mich zurück in die Gegenwart. Unweit meines Lieblingsbaumes steht eine moderne große Kopfskulptur, die mich jedes Mal wieder fasziniert. Die Bäume in den Boboligärten sollten sprechen können. Ganz gleich ob die 400 Jahre alte spindelförmige elegante Zypresse, oder die unzähligen Bäume unterschiedlichster Arten. Welch bunte aufregende Geschichten würden sie uns erzählen?

Mehrmals war ich in der Geburtsstadt der Renaissance, sie gab entscheidende Anstöße für die Erneuerung der Welt, die Wiederentdeckung der Antike, der menschlichen Seele, der Perspektive. Sie führte zum Aufstieg des Bürgertums. Ich komme nicht nur wegen der Kunst nach Florenz, auch wegen der toskanischen Landschaft mit ihren sanften Hügeln, Pinien, Säulenzypressen, Olivenbäumen, dem Arno und kraftvollen und doch eleganten Chianti classico.

Für mich ist ganz Florenz ein Kunstwerk, verdichtet, überhöht schenkt es mir ein Lebensgefühl, das ich nirgendwo sonst finde.

  Florenz, meine Sehnsuchtsstadt.