ERSTE GEDANKEN ZUM       UMWELTSCHUTZ 1973

  1973  ERSTE GEDANKEN zum Umweltschutz 

 © Gerlinde Pauschenwein 

 

 Entspannt liege ich im Liegestuhl und lasse meinen Blick über den fast menschenleeren Strand zum Meer schweifen. Es ist einer dieser heißen Sommertage, von denen ich während des kalten, schneereichen Winters geträumt hatte. Jahrelang war es mein Wunsch gewesen, das Rauschen des Meeres, das Spiel der Wellen und die unendliche Weite des Himmels kennenzulernen. Seit ich als Junglehrerin eine sichere Beamtenstelle innehatte, konnte ich erstmals Urlaubsreisen ans Meer planen.

Im Schatten liegend, nahm ich Jürgens Brief zur Hand, den ich kurz vorm Abflug erhalten hatte. Mein Jugendfreund verbringt zwei Studienjahre in Südafrika beim Volksstamm der Bantu, um Feldforschungen durchzuführen. Ausführlich beschrieb er die unvorstellbare Armut als Folge von Dürrekatastrophen, berichtete vom verunreinigten Wasser und davon, dass sich viele Kinder wegen des Nährstoffmangels geistig und körperlich nicht richtig entwickeln können. Die Sterberate sei sehr hoch, Heilung suche dieser Volksstamm beim Medizinmann. Er sei zutiefst schockiert über die menschenunwürdigen Zustände.

 >Das sind leider keine positiven Erfahrungen, die Jürgen macht. Wie gut, dass ich in Mitteleuropa lebe, mit all den Ressourcen, die wir in Österreich kaum zu schätzen wissen, < denke ich, und lege den Brief zur Seite. > Ich werde mich nicht länger mit der Armut in Afrika beschäftigen, sondern das Meer genießen<. Mit wenigen Schritten laufe ich über den heißen Sandstrand zum Wasser, um mit einigen kräftigen Tempi gegen die Wellen anzukämpfen.

Nach dreißig Minuten kehre ich erfrischt zurück. Das neu erschienene Sachbuch: „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ von Konrad Lorenz hole ich aus der Tasche und bin neugierig, was der Nobelpreisträger zu sagen hat. Der Passus: „Der Mensch begeht einen ökologischen Ruin seiner Umwelt, die ihn später mit Hunger bedrohen wird. Außerdem nimmt er Schaden an seiner Seele, weil die ästhetische und ethische Verrohung der Zivilisation, zum Verlust der Ehrfurcht vor der Natur führt“, rüttelt mich auf. Je tiefer ich mich auf den Text einlasse, umso beunruhigter werde ich. Bisher hatte ich mir keine Gedanken über die Gefahren der Umwelt gemacht. >Was kann ich zum Umweltschutz beitragen? Zur Schule, zum Supermarkt, ins Kulturzentrum gehe ich zu Fuß, Obst, Gemüse und Fleisch kaufe ich direkt beim Bauern. Am Land bin ich hauptsächlich mit dem Rad unterwegs<, beruhige ich mein neu erwachtes Umweltgewissen. Dennoch ist mir unbehaglich zu Mute. >Was wäre, wenn Konrad Lorenz Recht behielte mit seinen apokalyptischen Warnungen? Wie schade, dass ich allein reise und mit niemanden über dieses Thema diskutieren kann. Ach, wozu soll ich mir jetzt im Urlaub trübe Gedanken über eine Thematik machen, die nicht wirklich bedrohlich erscheint. < Brief und Buch lege ich in die Badetasche zurück. Für den Rest der Woche will ich alle beunruhigenden Gedanken ausblenden. Zurück im Burgenland lese ich das Buch zu Ende. Es war für mich der Anstoß, mich im Laufe meines Lebens für die Umweltproblematik zu interessieren und mich engagiert für einige Aktionen zum Thema Umweltschutz einzusetzen.

 

Vierzig Jahre später muss ich betroffen feststellen, dass meine Generation die mahnenden Worte namhafter Wissenschaftler nicht ernst genommen hat. Die Umweltsünden führen zu ernsten Bedrohungen, zum Klimawandel mit all den bekannten Folgen.

Die Enkelgeneration stellt uns berechtigt die Frage:  Warum habt ihr nichts dagegen getan?