BÜCHER und LYRIK - das kleine - große Glück

© Gerlinde Pauschenwein 

  Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat,

ist die der Bücher die Gewaltigste.

Voltaire

Woche für Woche warteten wir Kinder gespannt, welch bunte spannende Kinderbücher aus Vaters grüner Aktentasche in unsere Kinderhände gelegt werden. Jeden Freitag brachte Vater aus der Stadtbücherei Eisenstadt drei bis vier Bücher für jeden von uns mit, für ihn und Mutter war meist nur eines dabei.

Die Liebe zu Büchern, zum Lesen wurde schon in jungen Jahren in uns eingepflanzt. Nie empfand ich das Lesen als Zwang, im Gegenteil, die Faszination in eine andere Welt einzutauchen, regte schon sehr früh meine Fantasie an.

Ein großes Haus mit Garten hatten die Eltern mit viel Entbehrungen geschaffen, Luxus gab es keinen. Bücher bekamen wir zum Geburtstag geschenkt, auch unter dem Christbaum türmten sich Jahr für Jahr bis ins Erwachsenenalter Bücher für die gesamte fünfköpfige Familie.

Mein Vater zitierte oft und gerne Aphorismen und lateinische Zitate. Auch Voltaire durfte nicht fehlen.

>Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.<

Lesen war eine Leidenschaft in unserem Haus, ich erschuf mir schon als Kind Traumwelten. Unvergesslich mein Lieblingsbuch: >Aus meinen sieben Leben< von Anneliese Umlauf-Lamatsch. Damals bewahrheitete sich der Jahrzehnte später geprägte Satz von André Heller: Die wahren Abenteuer sind im Kopf, und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo!

 

Mit Lyrik wurde ich ebenfalls schon in jungen Jahren vertraut. Die Lieblingssendung meines Vaters hörten wir gemeinsam am Sonntagmorgen vor dem, von Mutter erzwungenen, Kirchgang. >DU HOLDE KUNST< entführte mich schon als Kind in eine Welt der Poesie und klassischen Musik. Seit1945 ist diese Sendereihe auf Ö1zuhören. Mich begleitet sie seit Jahrzehnten in den Sonntag. Als Kind liebte ich jene Gedichte, die sich am Zeilenende reimten. Ich mochte den Rhythmus, den Klang der Worte, ohne den Inhalt zu verstehen.

 

In der Pubertät entdeckte ich die Lyrik für mich, als ich in Vaters Bibliothek Gedicht-Bändchen u.a. von Rilke, A. Fischer Colbri, auch Eugen Roth und einen Sammelband deutscher Lyrik fand. Das Wortspiel, das Ausdrücken von Gefühlen in Versform sprach mich an.

Es kam, wie es nicht anders sein konnte, mit 16 schrieb ich die ersten schwärmerischen Liebesgedichte, die ungelesen immer noch in der Lade liegen. Nur das Gedicht: "Im Fluss des Lebens" schenkte ich dem Jüngling, der damals das Zentrum meiner Welt war. Bei unseren heimlichen Spaziergängen zitierten wir Balladen und Gedichte großer Meister. Mit Goethes AN DEN MOND und PROMETHEUS begannen unsere lyrischen Spaziergänge und endeten mit dem Mörikegedicht: AN die GELIEBTE und Alfreds Liebesgedichten, die er mir im Überschwang der ersten Leidenschaft schrieb.

Ein Kuss danach, mehr erlaubten wir uns aufgrund der strengen Erziehung nicht.

Als unsere unerfüllte Liebe durch politische Diskrepanzen unserer Eltern brutal beendet wurde, schenkte er mir ein 80-zeiliges Gedicht. Diesen Schatz jugendlicher Dichtkunst mit roter Masche gebunden, verwahre ich seit 50 Jahren im weißen Kuvert. Im Laufe der Jahre wurde Lyrik immer wichtiger. Neben Rilke, Hesse, Erich Fried, Ingeborg Bachmann, u.v.a. berührten mich Herta Kräftners Texte ebenso tief.

In meiner Bibliothek finden sich auch Lyrikbücher vieler unbekannter AutorInnen, die ich im Laufe meines Lebens persönlich kennenlernen durfte. Viele bereichernde Stunden konnte ich mit Lyrik und Musik, ob im Konzerthaus oder bei Lesungen verbringen.

Corona verhindert dies alles, ein wahrlich großer Verlust an Lebensfreude!

Was bleibt sind die Bücher:

"Lesen stärkt die Seele"– Voltaire