RILKE

 © Gerlinde Pauschenwein 

 

> Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehen< , Rainer Maria Rilke hat die Suche nach sich selbst, nach Gott und den Sinn des Lebens in wenigen Zeilen zum Ausdruck gebracht. Ob wir den letzten Lebensring vollbringen, bleibt für uns alle offen. Nach einigen Jahren war ich vom Land nach Wien übersiedelt.

Um der Einsamkeit keinen Raum zugeben, nutzte ich die kulturellen Angebote der Stadt. Ich wohnte im 9. Bezirk und besuchte neben Theater und Ausstellungen regelmäßig Vorträge an Volkshochschulen. Bei einem Bummel durch die Alserstraße las ich auf einem Plakat, dass in der Lazarettgasse in einer halben Stunde eine Lesung mit Musik Umrahmung stattfinden wird. Spontane Entscheidungen liebe ich immer noch.

 

Der Entschluss zu dieser Lesung zu gehen, brachte einen weiteren Wendepunkt. Durch das Zusammentreffen mit einer Schriftstellerin wurden meiner Kreativität nachhaltige Impulse geschenkt. An diesem Abend lernte ich Frau Prof. J. Jonas Lichtenwallner kennen, sie war die Präsidentin des >Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen<. Die Lesung der acht Autorinnen war mäßig gut besucht. Eine junge Musikerin begleitete auf der Gitarre die lyrischen Darbietungen. Als Abschluss sang die junge Frau eine Vertonung jenes Rilke-Gedichts, das mich durch mein Leben begleitet. Ich war tief berührt. Prof. Lichtenwallner sah die Tränen in meinen Augen und begann ein Gespräch. Danach lud sich mich zu weiteren Veranstaltungen ins Rampenlichttheater ein. Nach den Lesungen ergab sich meist ein Gespräch mit der von mir sehr geschätzten Dame. Eines Tages fragte sie, ob ich eigene Texte oder Gedichte in der Lade habe. Ich bestätigte ihre Vermutung, sie zeigte großes Interesse daran und lud mich zu sich in ihre Wohnung in die Seisgasse ein. Etwa zwanzig Gedichte aus meinem Konvolut von Schriftstücken, die sich seit Jugendtagen angesammelt hatten, brachte ich mit.

 

Wenige Monate danach hatte ich meinen ersten Lesetermin im Rampenlichttheater, weitere folgten sowohl beim >Verein der Künstlerinnen und Schriftstellerinnen< als auch beim Verein >Der Kreis<. Dank der guten Tipps meines Seelenfreundes, mit dem ich vor jeder Lesung Stimmtrainingsübungen machte, hielt sich das Lampenfieber in Grenzen. Auf der Bühne vor Publikum Gedichte vorzutragen, machte mir zunehmend Freude. Sowohl Seelenfreund P., als auch Frau Prof. Lichtenwallner sind schon lange tot, in meinem Leben haben beide bleibende Spuren hinterlassen.

Rückblickend stelle ich fest, wie nachhaltig mein Denken, meine Kreativität und damit auch meine Lebensfreude durch diese beiden außergewöhnlichen Persönlichkeiten positiv beeinflusst worden war.

Ob diese Begegnungen Zufall waren?

Es gibt Lichtblicke im Leben, die unauslöschliche Spuren in unserer Seele hinterlassen. Man muss nur  offen dafür sein.

Guy de Maupassant sagt: "Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen."