Diese Story war einer der Siegertexte bei STORY.one 

und wurde im BUCH " ERZÄHL MIR VON FLORIDSDORF" 

publiziert unter LINDE P.

FLORIDSDORF - ALTE DONAU – Urlaub im Corona Jahr

© Gerlinde Pauschenwein 

 

Weiße Schönwetterwolken ziehen über den tiefblauen Himmel, ich steuere mit kräftigen Zügen in der 26° warmen >Alten Donau< auf eine rote Boje zu und genieße den Blick zum gegenüberliegenden Terrassenrestaurant mit roten und gelben Sonnenschirmen. Über den Baumwipfeln ragt der weithin sichtbare Kupferhelm des hohen Turms der Donaufelder Kirche hervor.

Etwa 40 Minuten schwimme ich entlang der Abgrenzung im Angelibad. Hinter den Bojen begegnen einander Tretbootfahrer und ein einsamer Paddelsurfer. Seit einigen Tagen sind die Bäder geöffnet, die Menschen drängen hinaus in die Natur. Babyelefant als Abstandsmaß – Maske – Hygieneregeln begleiten uns. Es wundert mich, dass ich die einzige Schwimmerin bin. Ist dies den Unterwasserpflanzen geschuldet? Das hochwüchsige > Ährige Tausendblatt< wuchert bis zur Wasseroberfläche und stört mich beim Schwimmen. Die wiedergewonnene Freiheit  lässt mich das unangenehme „Kitzeln“ an Armen und Beinen vergessen.

 

Vor mir im Westen spiegelt sich die Sonne in der Glasfassade des alles überragenden Florido-Towers. Bei einer der Bojen lege ich eine Pause ein, eine Schwanfamilie zieht an mir vorbei. Ich blicke zum Strand. Erwachsene und Kinder tummeln sich im seichten Wasser, ein fröhlich buntes Bild Sonnenhungriger. Zu viele, wenn man bedenkt, dass wir Abstand halten sollten. Der viel zitierte Babyelefant fände nirgends Platz. Viele nehmen die Situation nicht ernst, tun so, als könnte ihnen das Virus nichts anhaben.

Tief atme ich durch, hänge mit den Armen am Begrenzungsseil neben einer Boje und denke über die momentane Situation nach.

 

Wie werden die Reisen in den nächsten Jahren aussehen? Der Tourismus ist weitgehend lahmgelegt. Corona hat die Welt verändert. Ich bin gerne gereist, Österreichs schönste Landschaften und Städte kenne ich. In fremden Ländern hat mich die Kultur angezogen, die Museen, die unterschiedlichen Landschaften, die Menschen. Ich gehöre zur Generation 65+ die am meisten gefährdet ist. Reisen wird für mich nie mehr so sein, wie es war. Wehmut schwingt bei diesen Gedanken mit.

 

Heuer bleibe ich in Wien. Selbst wenn das Kulturangebot der Pandemie zum Opfer fällt, bleiben mir als Abwechslung die sehenswerte Innenstadt mit alten Kaffeehäusern, der Wienerwald und die Lobau. Seit 2002 lebe ich am Stadtrand im Grünen. Täglich genieße ich den Blick in die Weite, zu den Wiener Hausbergen. Die Sonnenuntergänge habe ich X Mal fotografiert. Ich freue mich über das Vogelgezwitscher aus der angrenzenden Parkanlage und die Nächte ohne Straßenlärm. Nach 20 Minuten Fußweg erreiche ich die Donauinsel und den >Japanischen Kirschenhain<, wenige Straßenbahnstationen entfernt windet sich der Marchfeldkanal durch den nördlichen Stadtteil. Der Wasserpark mit seiner Reiherkolonie und die Alte Donau sind nur 2 km von meiner Wohnung entfernt.

Hier in Wien, in der lebenswertesten Stadt der Welt, lässt sich auch ein Lockdown überstehen.

 

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