BERUFSWECHSEL

 

 © Gerlinde Pauschenwein

 

 

Gemessen an den Schicksalsschlägen, von denen ich während meines Aufenthaltes am Weißen Hof erfahren habe, erschien mir meine Situation nichtig und klein. Die Teilprothese im rechten Ellbogen, wegen einer nachweislich falsch angepassten Brille, Schmerzen, Unsicherheit, ob eine Behinderung bleiben wird, dazwischen die Scheidung, all dies rüttelte an meiner positiven Grundhaltung. Die erste Maltherapiestunde hatte mich zu Tränen gerührt, als ich sah, welch positive Wirkung das Malen auf schwerbehinderten Patienten hatte. In der Parkanlage suchte ich einen ruhigen Platz zum Nachdenken.

 

Wieder stiegen Existenzängste hoch. Ich war Mitte 40, hatten den Lehrberuf für die Familie aufgegeben. Wegen Lehrerüberschusses gibt es keine Anstellung an höheren Wiener Schulen, war die ernüchternde schriftliche Mitteilung des SSR`. Außerdem wohnte ich 45 km von Wien entfernt.

Plötzlich war sie da, die richtungsweisende Idee! Warum nicht einen neuen Weg beschreiten?

Den Beruf wechseln!

Mit der Therapeutin konnte ich ein informatives Gespräch über die Maltherapie führen. Sie gab mir Buchtipps, nannte mir die Ausbildungsmöglichkeiten und erzählte mir ihren Werdegang. Sie machte mir Mut, meinte, als ausgebildete Pädagogin, mit zusätzlich vielen Jahren Erfahrung mit Patienten in der Praxis meines Exmannes und als Künstlerin hätte ich die besten Voraussetzungen. Nach diesem Gespräch hatte ich ein neues Ziel vor Augen:

 MALTHERAPIE !

Ich wollte kranken und behinderten Menschen meine Begeisterung für die Malerei weitergeben. Das Entdecken der eigenen Kreativität kann neuen Lebensmut in herausfordernden Lebensphasen schenken, dessen war ich sicher. Noch während meines Aufenthaltes ließ ich mir die ersten Fachbücher bringen und begann mit dem Selbststudium. Ab Herbst durfte ich Autofahren und belegte in Wien Wochenendkurse.

 

Nun sollte ich bald eine Anstellung finden. Tatsächlich fügte sich eins ins andere. Ein neues Rehazentrum wurde errichtet, schon zu Beginn der Bauphase wurden TherapeutInnen gesucht. Ich schickte ein Bewerbungsschreiben und skizzierte meine Ideen für die Maltherapie.

Maltherapie sei in der Klinik nicht im Programm vorgesehen, ich möge dennoch zu einem unverbindlichen Gespräch kommen, teilte man mir schriftlich mit.

Wochen später saß ich im grünen Container und legte mein Konzept vor. Es ging um mein finanzielles Überleben. >Interessant, ich werde die Mappe an den Herrn Primar weiterreichen<, bekam ich danach zur Antwort. Ein Jahr später durfte ich die Maltherapie in diesem Zentrum aufbauen und übte den bereichernden Beruf bis zur Pensionierung aus. An die minimalen Einschränkungen der rechten Hand habe ich mich gewöhnt.

 

Schicksalsschläge können positive Auswirkungen haben, wenn wir unsere Grenzen und Fähigkeiten neu definieren. Ich habe an meine innere Kraft geglaubt.

>Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel<, Charles Darwin.