Untertitel: LIEBHABER GESUCHT                                                                                                                               Text für die "Zauberberglesungen" am Semmering 2017

 

 Eine Frau, die mit 55+ davon träumt, in ihrem Alter noch einmal der großen Liebe zu begegnen, ist entweder naiv, oder hat keine Ahnung von Männern. Dennoch: Was wäre unser Leben ohne die Sehnsucht nach dem Du, ohne Leidenschaft und guten Sex?

 

 Isabel, seit vielen Jahren geschieden, saß an einem lauen Sommermorgen auf ihrer Terrasse und hörte Chansons von Edith Piaf. Trug die Musik dazu bei, dass sie in eine sentimentale Stimmung verfiel und sich nach einem Partner sehnte? Spontan entschloss sie sich, ihr Single-Dasein zu beenden und dem Zeitgeist entsprechend im Internet nach einem passenden Partner oder zumindest nach einem Liebhaber zu suchen.

 

Zuerst galt es, ein Profil zu erstellen. In aller Kürze Aussagekräftiges über sich preis zu geben, ohne das Innerste dabei zu entblößen, das war oberstes Gebot. Zuletzt sollte sie einen passenden Nicknamen finden. Es musste ein Begriff mit hoher Symbolkraft sein.

 

„La vie en rose“ wählte sie als Nicknamen und schickte ihren Wunsch in den Cyberspace.

 

Danach holte sie die Tageszeitung. Sie überflog die Headlines und vertiefte sich im Kulturteil und der Tagespolitik.

 

Eine Stunde war vergangen, höchste Zeit, zum Computer zurückzukehren. Überrascht stellte sie fest, dass ihr 30 Männerprofile zugesandt worden waren. Nichts war dem Zufall überlassen. Jedes Profil enthielt eine Punkteanzahl, die von einem möglichst hohen Grad an Übereinstimmung zeugte. Zu ihrer Überraschung fand sie vier private Zuschriften von Männern, mit unerwarteten 95 bis 98 Punkten von 100.

 

Sie klickte sich durch die Mails, las die zum Teil launigen Zeilen, alle vier Herren schienen interessant. Zuletzt verweilte sie bei jenem Mail, das ein 60-jähriger Pensionist mit dem Nicknamen: ROSENKAVALIER geschrieben hatte.

 

Er stellte sich als Johannes vor und verwies eloquent auf seine Vorzüge, vergaß nicht, die hohe Punkteanzahl von 98 zu erwähnen. Ein sympathischer, graumelierter, schlanker Mann in Anzug und Krawatte lächelte Isabel vom Foto entgegen. Johannes gefiel ihr und sie antwortete sofort, bevor sie alle anfallenden Termine und Tagesarbeiten erledigte. Am Abend eilte sie wieder zum Computer und siehe da, Johannes hatte ein ausführliches Mail geschrieben, gespickt mit lateinischen Redewendungen und Aphorismen. Wollte er den akademischen Bildungsgrad dadurch unterstreichen? Mit dem Gedanken „Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“, beendete er seine Ausführungen. 

Seit Jugendtagen zählte das Gedicht >Stufen< von Hesse zu Isabels Lieblingsgedichten. Offenbarte sich ein Gleichklang zwischen Johannes und ihr?

 

    Ein intensiver Gedankenaustausch per Mail begann, der sich über mehrere Tage hinzog. Johannes gab sich als Charmeur, er betonte, wie gerne er eine Frau verwöhnen würde. Leider habe er seit Jahren nicht die passende Partnerin, Isabel scheint die erste Frau zu sein, die seinen Vorstellungen entspricht, daher möchte er sie bald persönliches Kennenlernen. Er fragte, welche Blumensorte sie mag, er schenke gerne Blumen. Sie bevorzuge Rosen, schrieb Isabel zurück.

 

In einem gediegenen, traditionellen Wiener Kaffeehaus mit Flair fand das erste Treffen statt. Johannes, der Kunstliebhaber und Frauenfreund kam mit einer einzelnen herrlich duftenden zweifarbigen Rose der edelsten Sorte. Er wisse, eine einzige Rose sagt mehr, als tausend Worte, meinte er mit einem charmanten Lächeln. Isabel war begeistert-von der Rose. Der aufmerksam beobachtende Ober brachte eine passende Vase.

 

Mit angeregtem Gespräch vergingen zwei Stunden, man tauschte sich über die kulturellen Interessen und politischen Positionen aus, gab den beruflichen Werdegang preis und beschloss, einander in einer Woche für einen Museumsbesuch zu treffen.            Bei diesem Rendezvous im Museum Leopold stellte der Rosenkavalier mit Bedauern fest, dass er den Rosenstrauß versehentlich im Auto, das leider weit weg geparkt sei, vergessen habe.

 

>Nur ein Mann mit beginnender Demenz vergisst beim zweiten Rendezvous die Blumen im Auto<, dachte Isabel und überging seine Bemerkung nonchalant.

 

Drei Stunden besichtigten sie die laufende Schieleausstellung sowie alle anderen Sammlungen in drei Etagen. Sie diskutierten über Kunst und die „Auswüchse“ der modernen Malerei, wie Johannes sich ausdrückte.

 

Es entwickelte sich ein Diskurs, der sich am Weg zur U-Bahn fortsetzte. Johannes gab unmissverständlich zu verstehen, dass er von Frauen gewohnt sei, dass diese sein fundiertes Wissen immer anerkennen und nicht stur auf einer gegensätzlichen Position beharren. Er sei ein äußerst harmoniesüchtiger Mann, der einen Rosenkrieg verabscheue und seiner Exfrau allen Besitz überlassen habe, nur um einem Streit auszuweichen, fügte er zusammenhanglos hinzu.

 

Obwohl ihre gegensätzlichen Positionen über die moderne Malerei nicht ausgeräumt werden konnten, bat Johannes, als er sich bei der U3 verabschiedete, um ein weiteres Rendezvous. Als Treffpunkt schlug er ein bekanntes exklusives Kaffeehaus vor. Dies liege nahe bei Isabels Wohnung, bemerkte er mit schelmischem Blinzeln. Isabel überhörte diese Anspielung und beschloss für sich, ihn noch einmal zu treffen, um ausführlich über das Thema Kunst zu diskutieren. Nichts sonst interessierte sie. Sein Machogehabe forderte sie heraus.

 

Zum dritten Treffen kam Johannes mit einer Rolle unter dem Arm. Sie trafen beide auf die Minute pünktlich vor dem Café ein. Johannes hatte nicht vor, das Café zu betreten, sondern meinte charmant:

 

„Liebe Isabel, ich denke, wir werden uns ab nun sehr oft sehen, die hohe Punkteanzahl hat mich von Anfang an positiv gestimmt. Die interessanten Gespräche mit dir haben mich gänzlich überzeugt. Allerdings habe ich mir überlegt, ob wir ab heute den Kaffee nicht bei dir trinken könnten, denn die altehrwürdigen Kaffeehäuser in Wien sind verdammt….“

 

Er stockte mitten im Satz, dann überreichte er Isabel die Rolle.

„Komm, lass uns das Geschenk in deiner Wohnung öffnen.“

 

„Nein nein, Johannes, dazu ist es wohl noch viel zu früh.“ Antwortete sie und betrat entschlossen, ausnahmsweise vor ihm, das Café. Johannes folgte enttäuscht.

 

Sie fanden in einer Nische einen netten kleinen runden Tisch. Isabel lockerte verwundert das rote, zur Masche gebundene Band, die weiße Rolle sprang auf und vor ihr lag ein 50 x 50 cm großer ROSENKALENDER für das aktuelle, sechs Monate alte Jahr. Für jeden Monat gab es auf Hochglanzpapier ein Foto der unterschiedlichsten Rosensorten. Das um 50% reduzierte Preisschild war zu sehen. Isabel sah ihn indigniert an.

 

„Ich dachte, damit hast du jeden Tag Rosen von mir und ich erspare mir in Zukunft die Ausgaben für Rosen“, stotterte er verlegen, darauf folgte sein breites Lächeln.

 

Bei diesem Gespräch machte der Rosenkavalier Isabel klar, dass er nach seiner kurz zurückliegenden Scheidung in spätestens einem Monat die eheliche Wohnung räumen muss und dringend eine Bleibe suche. Eine Mietwohnung sei keine Option, denn er sei nicht gewohnt, sich selbst die Wäsche zu waschen, zu bügeln oder gar zu kochen. Eine Putzfrau dulde er nicht in seiner Privatsphäre. Er möchte nahtlos bei der nächsten Frau einziehen.

 

Johannes, der gebildete Mann und hohem IQ muss einige Punkte an seinem emotionalen Quotienten erarbeiten, dachte Isabel, als sie nach einer Stunde nach Hause kam und kopfschüttelnd den „Rosenkavalier“ aus der Liste strich.

 Wie konnte er annehmen, sie würde ihn nach fünf Wochen einziehen lassen?

  Lisa wandte sich dem Profil „Michelangelo“ zu. Ein mehrdeutiges Synonym!

 Verbarg sich dahinter ein echter Gentleman, einer der nicht sofort bei ihr einziehen wollte, um bekocht zu werden? Ein Künstler? Ein Bildhauer? Oder fühlte er sich gar als Abbild von Michelangelos DAVID, dachte Isabel schmunzelnd und wartete voll Neugier auf das nächste Mail.