BEGEGNUNG AN DER DONAU

© Gerlinde Pauschenwein 

 

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, so eindringlich hat es Martin Buber formuliert.

Eine Lebensweisheit die zum Nachdenken anregt. Auch ohne philosophische Reflexion, ohne Aristoteles zu lesen, wissen wir, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, also die Gemeinschaft braucht. Erst im Zusammenleben können wir ein beglückendes, erfülltes Leben führen. Das Gespräch, der Dialog steht immer am Beginn des Kennenlernens. Mein Leben war – und ist immer noch – reich an Begegnungen mit interessanten Menschen, mit denen ich gerne Zeit verbringe.

Der intensive offene Gedankenaustausch war und ist die Grundlage tiefer, langjähriger Freundschaften. Es gab auch flüchtige Begegnungen, Menschen die nur für ein paar Stunden oder wenige Tage, etwa bei Seminaren, meinen Weg kreuzten und dennoch bleibende Spuren hinterlassen haben.

 

Ich will aus meiner Schatzkiste des Lebens eine Begegnung herausholen, die durch die Intensität des Gespräches nachhaltig von Bedeutung war. Im Herbst2019,beieinem Spaziergang an der Donau, hielt ich am Treppelweg Richtung Reichsbrücke inne, die Skyline der Donauplatte bildete mit den Möwen am Ufer einen interessanten Kontrast. Fasziniert von dem Anblick nahm ich mein Handy aus der Tasche, um die moderne Architektur, das Blau des Wassersund den wolkenlos blauen Himmel festzuhalten.

Flüchtig, nur aus dem Augenwinkel, bemerkte ich, dass neben mir ein Mann stehen geblieben war. Unerwartet begann dieser darüber zu reflektieren, dass in der heutigen hektischen Zeit nur mehr wenige Menschen die Ruhe fänden, besondere Stimmungen einer Landschaft wahrzunehmen oder diese staunend zu betrachten. Es entspann sich ein Gespräch und wir beschlossen, den Spaziergang gemeinsam fortzusetzten.

In dem zwei Stunden dauernden Diskurs drehten sich die Themen zuerst um Umweltschutz, letztendlich um Religion, um den Sinn des Lebens und die Definition von ZEIT.

 

Selten hatte ich mit einem fremden Menschen unerwartet ein so tief gehendes Gespräch geführt. Beim Millenniumstower verabschiedeten wir uns und versicherten uns gegenseitig, wie bereichernd diese Stunden waren. Die Diskussion hatte mich nicht nur aus meinem Alltagstrott herausgeholt, sondern mich dazu angeregt, nach langem wieder populärwissenschaftliche Bücher aus dem Schrank zu holen, um Passagen zu den angerissenen Themen nachzulesen. In der Nacht schrieb ich noch einen Text zum Thema Zeit: Des Lebens Wirklichkeit erfassen wir im Werden, im Wechsel, im Vergehen. Des Lebens Wandel erkennen wir in den gespeicherten und den verblassenden Erinnerungen. Weit spannt sich unser Zeitbogen von der VERGANGENHEIT, über die GEGENWART in die ZUKUNFT. In diesem kosmischen Prinzip, das wir Menschen ZEIT nennen, in diesem ewig gültigen Gesetz, spiegelt sich die Urkraft der Schöpfung - Gott? Den Namen des wesentlich jüngeren Mannes hatte ich sehr bald vergessen, das Gespräch bleibt in Erinnerung.