OTTO - und die Kanarienvögel im Bordell

© Gerlinde Pauschenwein 

 

Der hagere Mann , der mir gegenüber saß, wirkte verlebt, sein Gesicht aufgedunsen. Ich bestellte eine Melange.

"Für mich einen doppelten Whisky!", sagte Otto. Ich staunte, dass jemand am frühen Nachmittag statt Kaffee Whisky trank.

Ottos kurzes Mail war sehr launig gewesen. Er hatte eine Anekdote aus seinem Berufsleben als Tierschützer so amüsant beschrieben, dass ich wusste, dieser Mann garantiert mir einen unterhaltsamen Nachmittag mit Tier-Mensch-Geschichten.

Wir trafen einander im Café Korb.

Ich war neugierig auf Otto, der in einem Magistrat angestellt war und sich hauptberuflich dem Tierschutz verschrieben hatte. Eloquent berichtete Otto davon, welch skurrile unnötigen Anzeigen beinahe täglich eintrafen, denen allen nachgegangen werden musste, natürlich auf Kosten der Steuerzahler.

Abwechselnd lachte ich, dann wieder schüttelte ich ungläubig den Kopf, so viele verrückte Geschichten hatte ich nicht erwartet. Besonders empörend war die Anzeige einer Dame, die sich im nasalen Tonfall darüber beschwerte, dass ein armer Hund bei Kälte und Schnee den Tag neben einem Bettler vorm Einkaufszentrum in der Kärntnerstraße verbringen musste. Sie verlangte, man möge den Hund sofort abholen, was natürlich abgelehnt wurde.

"Dies war sicher eine Hofratswitwe, die Taubern füttert und sich aufregt, wenn Kinder im Innenhof spielen", sagte Otto und bestellte den nächsten doppelten Whisky.

 

Zwischendurch versuchte ich, Privates aus Otto herauszuholen. Ein höchst dramatisches Leben in Verbindung mit Alkohol eröffnete sich mir. Kein Mann für ein weiteres Treffen, das war sofort klar!

Otto saß vorm dritten doppelten Whisky, als er die wohl skurrilste Geschichte erzählte:

 

Ein Bordellbesucher hatte angerufen, weil sich im Eingangsbereich ein Käfig mit acht Kanarienvögeln befand. Die armen Vögel werden sicherlich irre durch die, in allen Farben aufleuchtenden, Lichtgirlanden. Dies sei Tierquälerei, der nachgegangen werden musste. Den Beamten blieb nichts anderes über, als ins Bordell zu fahren, um sich die Sache anzusehen.

Die Bordellbesitzerin amüsierte sich darüber, wie streng es der verheiratete Anrufer mit dem Tierschutz nahm.

Bei der Amtshandlung stellte sich heraus, dass die Größe und hygienischen Verhältnisse des Käfigs in Ordnung waren, Futter war ausreichend vorhanden, die Tiere machten durch ihr Verhalten den Eindruck von Wohlergehen und Gesundheit. Die Inhaberin erklärte, den Tieren werde täglich freier Flug im Kontaktanbahnungsraum gewährt.

Nach Aufnahme aller Fakten kamen die Beamten mit der Dame überein, dass statt der Lauflichterketten bloß ruhende Lichter eingeschaltet bleiben, um jedwede optische Beunruhigung der Tiere hintan zu halten.

Auf die Frage des Protokollführers: "Und wos schreib ma jetzt, wo ma woarn?" meint die Dame lakonisch:

"Schreiben Sie einfach, Sie waren im Buff wegen VÖGELN!"

 

 

Ich musste herzhaft lachen. Ob diese Geschichte stimmte?

Jedenfalls war es die letzte Geschichte, die Otto mir erzählte.